Agrarwende – ein Thema für Fridays for Future
Unserer Aktivistin Lydia hat beim globalen Klimastreik der Bewegung Fridays for Future am 03.03.2023 in Rosenheim eine inspirierende Rede gehalten. In ihrem Vortrag appelliert Lydia an die Klimabewegung, neben der Verkehrs- und Energiewende auch die Agrarwende auf die Agenda zu setzen. Sie erläutert, warum die aktuelle Landwirtschaft ein wichtiges Thema für die Klimabewegung ist und dass es notwendig ist, hier politische Veränderungen herbeizuführen – nicht nur wegen der Landwirt*innen, sondern auch wegen der globalen sozialen Ungerechtigkeit, des Artensterbens und der Klimaziele.
Lasst uns gemeinsam für eine zukunftsfähige Landwirtschaft und eine nachhaltige Lebensmittelproduktion kämpfen! Schaut euch das Video an und teilt es mit euren Freunden und Bekannten. Zusammen können wir eine bessere Zukunft für alle schaffen.
Hier die komplette Rede in Textform:
Hallo zusammen,
ich bin Lydia und eigentlich eher stille Aktivistin bei Animal Rebellion. Doch heute möchte ich über ein Thema sprechen, das offensichtlich noch zu wenig Beachtung findet. Auch in unserer Klimabewegung.
Dazu möchte ich eine Forderung von Markus Söder zum Anlass nehmen. Denn unser Ministerpräsident hat vor kurzem angekündigt, Geld in die Hand nehmen zu wollen, um eine Kampagne zu starten. Eine Kampagne, die den Fleischkonsum in Bayern fördern soll!
Und ich muss mich da fragen, warum solche Äußerungen und Forderungen von regierenden Politiker in der aktuellen Lage noch toleriert werden? Stellen wir uns nur mal vor, Herr Söder hätte eine Kampagne und somit Werbung für Kohle-Strom angekündigt? Der Aufruhr in unserer Gesellschaft, und erst recht in unserer Community wäre groß! Sehr viel größer als in diesem Fall! Denn kaum ein Politiker oder eine Politikerin würde sich trauen, eine Kampagne anzukündigen, um den Verbrauch von fossilen Brennstoffen zu erhöhen. Doch wenn es um den Fleischkonsum geht, funktioniert diese Art von Populismus.
Während sich die öffentliche Meinung und politische Maßnahmen gegen fossile Energieträger stark gewandelt haben, scheint der Konsum von Fleisch immer noch gesellschaftlich akzeptiert zu sein. Doch warum sollten wir es erlauben, dass die Fleischindustrie weiterhin unsere Umwelt schädigt und unsere Zukunft gefährdet?
Ich möchte an dieser Stelle daher noch mal versuchen, bewusst zu machen, welche Auswirkungen die Herstellung tierischer Produkte – insbesondere von Fleisch – auf unsere Umwelt hat… Denn um tierische Produkte zu produzieren, brauchen wir nicht nur enorme Mengen an Ressourcen, wie Wasser, Land und Futterpflanzen, die oft aus Übersee importiert werden. Gleichzeitig belastet die Tierhaltung unsere Umwelt und das Klima durch die verursachten Treibhausgase, CO2, Methan und Lachgas enorm.
Schon vor Jahren warnten Klimatologen: Millionen Rinder auf der ganzen Welt stoßen tausende Tonnen Methan aus und beschleunigen so den Klimawandel. Wälder müssen gerodet werden, um Platz für Tierherden zu schaffen und immer kostbarer werdendes Wasser wird in rauen Mengen benötigt, um die Tiere zu versorgen.
Mehrere Studien belegen aber vor allem, dass unsere Landwirtschaft und ihre Tierhaltung die Hauptursache für das Artensterben ist! Denn für die Aufzucht und für die Tierhaltung werden immer mehr Flächen benötigt. Flächen, die dann wiederum anderen Tieren als Lebensraum fehlen. Die Folge ist offensichtlich: Die Tiere sterben aus und das Schwinden der Arten nimmt immer mehr zu. Jeden Tag sterben etwa 150 Arten unwiderruflich aus. Die Existenz der Lebewesen wird bis zu 1.000 mal schneller verdrängt, als neue Arten entstehen können.
Von Anbeginn der Zivilisation hat die Menschheit den Verlust von 83 Prozent aller wildlebenden Säugetiere und 80 Prozent der Meerestiere verursacht. Von einem Gleichgewicht, das die Natur unter Kontrolle hält, kann hier schon lange nicht mehr gesprochen werden. Vielmehr leben wir in einem Ökosystem, dessen Verteilung völlig außer Kontrolle geraten ist.
Forschungen legen nahe, dass sich die Welt derzeit in einem großen Massensterben befindet – dem insgesamt sechsten seitdem es Leben auf der Erde gibt. Doch diesmal sind wir Menschen der Grund.
Zudem dürfen wir nicht vergessen, welche Auswirkungen unsere Ernährung auf andere Teile der Welt hat. Die Klimakatastrophe ist ein globales Problem und wir werden hier keine Fortschritte erzielen, wenn wir die sozialen Ungerechtigkeiten ausblenden, die unsere Ernährung global erzeugt.
Wir nutzen mehr als 80 Prozent der weltweiten Ackerflächen nur um Nahrung für sog. Nutztiere für unsere Industriestaaten anzubauen. Diese Flächen liefern aber nur 18% der global benötigten Kalorien. Dabei könnten diese Flächen genutzt werden, um die Menschen direkt zu ernähren. Die dadurch freiwerdenden Flächen könnten wiederum der Natur in Form von Wäldern, Wiesen oder auch Sümpfen zurück gegeben werden, um den Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu ziehen und die Biodiversität zu fördern.
Die Produktion von tierischen Lebensmittel verschwendet somit wichtige – eh schon knappe Ressourcen – während hunderte Millionen von Menschen an Hunger leiden. Hier in Deutschland werden z.B. zwei Drittel der Getreideernte an Tiere verfüttert, während sich die Hungerkatastrophe in Ostafrika immer weiter zuspitzt.
Daher fordern wir von Animal Rebellion:
- Der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Die Tierindustrie ist ein Klima- und Umweltkiller! Der Beitrag der Tierhaltung zum Klimawandel beträgt laut einer Studie der Oxford University 28% und sprengt weitere unglaublich wichtige planetare Grenzen. Auch Medien und die Politik müssen die Bevölkerung endlich über diese Zahlen und Zusammenhänge aufklären, bevor der Zusammenbruch globaler Ökosysteme nicht mehr aufgehalten werden kann.Lasst uns daher neben der Energie-, und Verkehrswende die Agrarwende nicht vergessen!
- Unsere 2. Forderung lautet! Lasst uns die Politik neu leben! Die Landwirtschaft als Ganzes muss nachhaltiger werden. Viele Landwirtinnen haben Schwierigkeiten, mit großen, außerlandwirtschaftlichen Kapitalanlegern zu konkurrieren. Eine Lösung könnte darin bestehen, die aktuellen Subventionen anders zu gestalten, um den Landwirten den Umstieg zu einer ökologischen und pflanzenbasierten Landwirtschaft zu ermöglichen. Es ist also auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit eine Lösung für unsere Landwirtinnen zu finden und nicht – so wie es Markus Söder verlangt – ihnen zu helfen, ihr eigenes Grab zu schaufeln!
- Unsere 3. Forderung lautet. handelt! Und zwar jetzt! Es ist Aufgabe der Politik, die völlig außer Kontrolle geratene Lobby der Tierindustrie sofort drastisch zu regulieren, damit in Zukunft auch tatsächlich effektive Maßnahmen gegen Tierquälerei und den ökologischen Kollaps getroffen werden können. Denn das bestehende System, welches von Lobbyismus getrieben ist, hat keine Antworten auf diese Probleme. Aber auch wir, wie wir hier alle stehen, sollten dahingehend handeln! Lasst uns das Thema Ernährung mit auf unsere Agenda nehmen, um für einen ganzheitlichen Systemwandel einzustehen. Lasst uns bewusst machen, dass wir durch eine Reduktion unseres Fleischkonsums einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Und lasst uns Konzerne wie Tönnies, Vion oder Westfleisch in einem Atemzug mit Klima-Kriminellen wie RWE oder Shell nennen!
Ich frage mich daher, wie lange werden wir, die tickenden Zeitbomben in unseren Tierfabriken noch ignorieren? Wie viele Zoonosen müssen noch zu Pandemien werden, bis wir verstehen, dass das, was wir den Tieren antun, immer zu uns zurückkommen wird? Wie lange kann ein globales Ökosystem überleben, in dem nur noch 4% der Säugetierbiomasse auf wilde Tiere entfällt? Wie viele Regenwälder müssen noch abbrennen, damit in deutschen Tierfabriken eingepferchte Schweine oder Hühner mit Sojakraftfutter gemästet werden können? Wie vielen Hitzewellen, Stürme, Dürren und Überschwemmungen wollen wir noch tatenlos zusehen, bis der point of no return erreicht sein wird?
Noch liegt es in unserer Hand, wir haben die Technologien, das Know-how und das Geld. Und die Wissenschaft ist eindeutig in dem, was jetzt zu tun gilt. Also lasst uns gemeinsam für eine nachhaltige Ernährung und Landwirtschaft kämpfen und uns für eine lebenswerte Zukunft für alle Individuen einsetzen. Wie lange wollen wir noch warten? Wann handeln wir? Ich sage: Jetzt!